Die gescheiterte Bewerbung und der Schadenersatz nach dem Antidiskriminierungsgesetz
> Dezember 2016

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) ändert seine Rechtsprechung und gibt seine bisherige Auffassung zur Voraussetzung der generellen Geeignetheit des Bewerbers unter dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzte (AGG) auf. Erfahrene Personaler werden die potentielle Haftungsfalle kennen. Scheinbar ungeeignete Arbeitssuchende bewerben sich auf eine offene Stelle. Das „riecht“ förmlich nach einer nicht ernst gemeinten Bewerbung, um eine Ablehnung zu provozieren, nur um dann später einen Schadenersatzanspruch nach § 15 des AGG, welches landläufig auch als Antidiskriminierungsgesetz bezeichnet wird, wegen Benachteiligung geltend zu machen.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts musste ein Bewerber für die ausgeschriebene Stelle immer auch „objektiv geeignet“ sein, um überhaupt in einer mit anderen Bewerbern „vergleichbaren Situation“ oder „vergleichbaren Lage“ zu sein. Eine solche vergleichbare Lage bzw. vergleichbare Situation ist nach § 3 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AGG Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch. Nur wer diese Eingangsvoraussetzung erfüllte, konnte als „Provokateur“ überhaupt Aussicht auf Erfolg haben. Da konnte man beruhigt jedenfalls diejenigen Bewerbungen aussortieren, die objektiv nicht geeignet waren.

Nunmehr hat das BAG eine Abkehr von dieser Rechtsprechung vollzogen. Mit dem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 19.05.2016 hat das BAG ausdrücklich einen Schadensersatzanspruch für denkbar gehalten, obwohl der Bewerber objektiv nicht geeignet war. Zur Begründung wurden unionsrechtliche Erwägungen angeführt. Daraus folgt, dass nunmehr auch objektiv ungeeignete Bewerber mit Vorsicht zu behandeln sind.

Auslöser für diese Abkehr war ein Fall aus der Anwaltschaft. Eine Anwaltskanzlei wollte Bewerber mit überdurchschnittlich guten Noten ansprechen und hatte dies in Ihrer Stellenanzeige auch so formuliert. An sich ein objektives Kriterium. Eine Benachteiligung nach dem AGG wäre hierfür nicht denkbar gewesen.

Allerdings hatte die Kanzlei in der Stellenanzeige auch erwähnt, dass sie einen Anwalt mit 0 bis 2 Jahren Berufserfahrung suchen. Diese Angabe enthält für ältere Bewerber eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters. Dies wiederum wäre nach dem AGG unzulässig.

Die Kanzlei hat die Bewerbung eines 1953 geborenen Bewerbers mit deutlich unterdurchschnittlichen Examensnoten mit Verweis auf die Examensnoten als objektiv ungeeignet abgelehnt. Die erhobene Klage des abgelehnten Bewerbers wurde nach der bis zum 19.05.2016 gültigen Rechtsprechung des BAG von den beiden unteren Instanzen abgewiesen. Zur Begründung führten beide Instanzen an, dass der Bewerber objektiv ungeeignet sei und man daher zu der Prüfung der Benachteiligung wegen des Alters von Bewerbern in vergleichbarer Lage nicht mehr käme.

Nach der neuen Rechtsprechung des BAG sind aber zunächst einmal alle Bewerber in einer vergleichbaren Lage. Es sind nämlich alles Bewerber. Da die Kanzlei in ihrer Stellenanzeige nun angab, nur Anwälte mit wenig Berufserfahrung zu suchen, war für eine mögliche Benachteiligung wegen des Alters des Bewerbers Tür und Tor geöffnet. Eine endgültige Entscheidung wird das Landesarbeitsgericht treffen müssen. Das BAG hat an die untere Instanz zur Klärung dieser Fragen zurückverwiesen.

Fazit: Der Arbeitgeber sollte in Stellenanzeigen keinerlei Anlass geben, dass seine Personalsuche zu einer der in § 2 AGG genannten Benachteiligungen führt. Auch offensichtlich ungeeignete Bewerber dürfen nicht leichtfertig abgelehnt werden. Im Zweifel ist lieber ein Bewerbungsgespräch mehr zu führen, um dann mit der mangelnden Überzeugung des Bewerbers zu argumentieren.